Ich finde nichts langweiliger als komplett durchgeplante Konzerte wo am besten noch alles klingt wie auf CD.
Dafür muss ich nicht aus dem Haus.
US "Punkbands" sind für sowas sehr anfällig. Auf jedem Konzert die gleichen Ansagen, die gleichen "Verspieler" die gleichen Songs... furchtbar ist das mies.
Am besten noch Halbplayback oder sowas. Am besten ist immer noch wenn man was Reinrufen kann und die Band versucht das irgendwie zu spielen
Dem stimme ich wiederum uneingeschränkt zu.
Gerade auf Metal-Konzerten empfand ich es als jeher als Muss, dass die Band live nicht nur ihr (zumeist neues) Album herunterspielt und wie die Holzklötze auf der Bühne steht, sondern dass sie den Kontakt zum Publikum sucht, mit ihm spielt, einzelne bekannte Gesichter während des Auftritts (oder spätestens danach zum gemeinsamen Gruppenfoto) mit auf die Bühne holt, talentierte Publikumsgäste ans Mikro zum Mitsingen lässt, unterm Strich also ein quasi-familiäres Umfeld schafft, in dem sich jeder repräsentiert und miteinander verbunden, aber stark, aber auch sicher und geborgen fühlt. Moshpits, an denen ich mich als jüngerer Mensch vereinzelt beteiligte, um die ich aber heute zumeist einen Bogen mache, stellen in diesem Sinn für mich dezidiert KEINE Ausnahme dar, da es beim Moshen schließlich nicht darum geht, andere mutwillig zu verletzen, bloßzustellen oder sonst wie gearteten Schaden zuzufügen. Worum es stattdessen geht, dürfte jedem klar sein, zumindest jedem, der mal involviert gewesen ist. Ich belasse dies an dieser Stelle unkommentiert, auch, um Naivlinge und Uneingeweihte nicht in ihrem kostbaren Kopfkino zu beeinträchtigen!
Auch Verspieler sind meist kein Problem, wenn sie professionell übergegangen werden, oder es die Band mit Humor nimmt und sich ein Grinsen auf der Bühne erlaubt. Das macht sie nahbar und menschlich und ich habe noch nie jemanden aus dem Publikum erlebt, der einem Musiker einen klitzekleinen Verspieler krummgenommen hätte.
Ich habe auch schon Bands live gesehen, bei denen der Sänger Stück x ankündigt, die Band Stück y aber in der Setlist stehen hat und dann auch y spielt. Fand ich auch nie schlimm, sondern im Gegenteil ganz ulkig.
Also, lange Rede, kurzer Sinn: Ich bin auf der Gefühlsebene im Grunde genommen bei dir! (Halb-)Playback , dessen Zeuge ich bis dato zum Glück noch nicht geworden bin, käme für mich auch einem absoluten Tabubruch gleich! Und klar, live soll wie live klingen und nicht fad und steril, als liefe alles auf CD, denn dazu muss man echt nicht aus dem Haus!
Solange die Band also in der Lage ist, ihr Programm adäquat abzuliefern, mit dem Publikum angemessen interagiert, rundum sympathisch wirkt und MEHR tut, als einfach nur – ich sage mal – stumpf ihre Lieder herunterzuspielen, ohne auf die Befindlichkeiten des Publikums Rücksicht zu nehmen, ist alles gut, und kleinere Verspieler oder Aussetzer bleiben verzeihlich.
Wer sich nämlich ohnehin am allermeisten über ebendiese ärgert, ist die Band selbst. Die nagen daran. Oder der Manager macht sie hinterher fertig, obwohl das Publikum völlig aus dem Häuschen war. Alles schon erlebt.
Deine Schilderungen Avril Lavigne und Shakira betreffend empfinde ich dem jedoch als diametral entgegengesetzt, da deren grobe Lapsus auf der Bühne nicht sympathisch und insofern verschmerzbar wirkten, sondern fahrlässig, indifferent, von oben herab, arrogant, selbstherrlich, frei nach dem Motto:
ICH bin der Obermotz hier! IHR kommt zu meinem Konzert und zahlt! ICH kann mir ALLES erlauben und IHR IDIOTEN findet es trotzdem noch gut, weil ihr mich vergöttert!
Diese Attitüde hasse ich wie die Pest. Kann ich null ab.
Sobald ich merke, der Musiker auf der Bühne interessiert sich NUR FÜR SICH SELBST und gibt keinen Fick auf das Wohlbefinden seiner Rezipientenschaft, noch auf die von ihm dargebotene Leistung (Musik, Tanz, Show etc.), werde ich auch frech, zeige ihm den Finger, ärgere mich kolossal, gezahlt zu haben, und GEHE.
So kam das in deiner (zugegebenermaßen) kurzen Schilderung für mich rüber: Kann nicht singen., trifft die Töne nicht, besäuft sich, verkackt die Lyrics. Sorry, aber auf so viel unverfroren Deplatziertes hätte ich null Bock. :dry:
Freiraum für Kreativität und partiell vom Bühnenprogramm Abweichendes, womöglich „Beklopptem“ auf der Bühne – ja, wenn’s stimmig ist und ZUGUNSTEN des Publikums und nicht als blasierte Selbstbeweihräucherung erfolgt!
Wenn ich mehr Götter denn Menschen auf der Bühne haben möchte, die zu 100 % alles richtig machen und die Apotheose anstreben, begebe ich mich ins Theater- oder Opernhaus. Da ist diese Erwartungshaltung normal und entsprechend wird auch (wünschenswerterweise zumeist) geliefert.
Im nachfolgenden Video sieht man, wie der mittlerweile verstorbene Selim Lemouchi, Mastermind hinter der psychedelischen okkulten Hard-Rock-Band The Devil’s Blood, die ich früher oft live gesehen habe, einem Störenfried aus dem Publikum zielgerichtet Kontra gibt. Wir erleben hier ein Abweichen vom Bühnenprogramm, das ich meinerzeit außerordentlich begrüßenswert und situativ angemessen fand.
„Wir versuchen ganz bewusst, uns nicht als 'Band' zu präsentieren, denn wir wollen nicht als Menschen, nicht als Individuen gesehen werden. Während wir unsere Musik spielen, sind wir von Satan besessen.“
Passend zu dieser Aussage Lemouchis, merkt man auch keinen Deut, dass er aufhörte zu spielen, als er von der Bühne kam, dem Störer die Nase brach und dann begann, weiterzuspielen. Kein Unterschied. Das war unfreiwillig mit das Komischste an der Aktion.